Im schon erwähnten Ausstellungskatalog (1984 herausgegeben vom Museum Allerheiligen und Peter Somm) publizierte der Künstler mehrere eigene Texte, vor allem Auszüge aus einem 1982 verfassten längeren Aufsatz mit dem Titel "Bisherige Entwicklung und Ziel meiner Malerei". Darin bespricht Peter Somm die verschiedenen Werkgruppen (Rechtwinkel-Kompositionen, Rotationen usw.). Den letzen Abschnitt über die Kreis- und Kreuzbilder können Sie unten lesen:
Zu den Kreis- und Kreuzbildern
Das Wort "Kreuz" in dieser Titelbezeichnung ist, genau betrachtet, nicht ganz korrekt. Man sollte eher von "Strahlen" sprechen. Ein Strahl ist eine gerade Linie mit einem Anfang, aber ohne Ende. So gesehen ist der Mittelpunkt dieser Bilder nicht Schnittpunkt, wie bei einem Kreuz, sondern Ausgangspunkt der Strahlen; der Bildrand ist nicht deren Ende, sondern er bezeichnet nur die Grenze der Sichtbarkeit der Strahlen, die theoretisch nicht aufhören. Diese Strahlenbilder sind extrem einfach, zentralsymmetrisch, ohne Bevorzugung einer der vier Hauptrichtungen, ohne Beziehung zur Bildbegrenzung, elementar und nicht konstruktiv. Ähnliches wie für die Bilder mit vier Strahlen gilt für die V-Bilder, wo die Stahlen von der unteren Bildrandmitte ausgehen, und für die Horizontalbilder, die allerdings nicht durch Strahlen, sondern Geraden charakterisiert sind, die beidseitig über den Bildrand hinaus ins Unendliche laufen.
Die Kreisbilder sind in mancher Hinsicht zu den Strahlenbildern komplementär. Der Strahl und die Gerade sind unendlich in ihrer offenen, das Bild über den Rand öffnenden Wirkung; der Kreis dagegen ist geschlossen, in der Bildfläche, aber ebenfalls unendlich, ohne Anfang und ohne Ende. Sowohl die Kreis- wie die Strahlenbilder sind durch einen winzigen Ausschnitt völlig definierbar: schmaler Sektor bei den Kreis- bzw. kleinster Ausschnitt im Zentrum bei den Kreuzbildern (zentraler Bildausschnitt oder entsprechende Verkleinerung des ganzen Bildes sind bei den Kreuzbildern absolut identisch). Durch Drehung um das Bildzentrum bzw. zentrifugale Bewegung entsteht das Bild. Die Kreuz- oder Strahlenbilder eignen sich wegen ihrer Offenheit zur Kombination zum zwei- oder mehrteiligen Bild, wodurch je nach Farbgebung eine polare Spannung oder ein rhythmischer Ablauf erreicht wird. Solche Bildpaare können sich ergänzen wie Positiv-Negativ, Tag-Nacht, Yin-Yang, Warm-Kalt usw.
Wenn man den Weg von den früheren konstruktiven Formen zu den elementaren Bewegungen Gerade und Kreis verfolgt, versteht man auch, weshalb ich nicht mehr zum Komplizierten und zu anderen "Formen" zurückkehre. Das Formal-Konstruktive ist für mich kein solches Problem mehr, dass man mich als Konstruktivisten im engen Sinn bezeichnen könnte. Die Varietät ergibt sich hauptsächlich aus der Farbe. Dabei bevorzuge ich geheimnisvolle Farben, die man auch als "kosmisch-kühl" bezeichnen könnte (so wie auf Farbfotos von Sternen und Spiralnebeln). Also Lila, Violett, gewisse Grün- und Gelbtöne und natürlich Blau. Die mehr "äusserlichen" oder "irdischen" Farben wie grelles Rot oder Braun lehne ich dagegen ab.
Grundsätzlich kann man Farben in einem Bild entweder hartkantig trennen (wie bei vielen Konstruktivisten) oder sie diffus ineinanderlaufen lassen. Ich wählte als Strukturprinzip aller meiner Bilder die schichtartig gestufte Farbreihe, wodurch sowohl der Eindruck von Härte wie von unverbindlicher Verschwommenheit vermieden wird. Voraussetzung für die beabsichtigte Wirkung ist eine sehr genaue und gleichmässige Abstufung der Farben und damit auch eine sehr präzise Maltechnik. Diese ist also nicht Selbstzweck, sondern absolut notwendig, um Störungen und Brüche im Farbablauf zu vermeiden. Das menschliche Auge ist in dieser Hinsicht ausserordentlich empfindlich und sieht Unterschiede, die sich physikalisch kaum messen lassen. Ich halte deshalb Computer und Analysenwaagen beim Berechnen und Ausmischen der Farben für ungeeignet, wenn man bedenkt, dass das Auge etwa sieben Millionen Farben auseinanderhalten kann und dass sich deshalb kleinste technische Fehler beim Malvorgang trotz mehrstelliger "Berechnung" sichtbar störend auswirken. Im Umgang mit Farbe betrachte ich Zahlen und Rezepte nur als Hilfsmittel und halte die Intuition und eine gute Maltechnik für entscheidend.
Strukturprinzip ist also die gestufte Farbreihe, die "Formen" entstehen sekundär. Die einzelnen Farbabstufungen werden nicht als geometrische Einzelformen gesehen, also nicht als Ringe, Dreiecke oder Vierecke, und zwar vor allem wegen eines physiologischen Phänomens, des sogenannten "Rilleneffekts" (wie bei den Rillen dorischer Säulen bei seitlicher Beleuchtung) oder der "Mach'schen Streifen", wodurch diese nicht homogen gefärbt und flächig, sondern leicht ausgekehlt, transparent, lamellenarig wirken. So sieht zum Beispiel bei einem Kreuzbild niemand eine Komposition aus über hundert schmalen Dreiecken (was es faktisch ist), sondern was als "Form" wahrgenommen wird, ist die Zone grösster Helligkeit oder Dunkelheit, die aber inkonstant ist und fluktuiert, je nach Beleuchtung und sogar je nach Stimmung des Betrachters in ihrer Breite und Strahlungsintensität wechselt. Die Bilder wirken so dynamisch-pulsierend, nicht statisch, wie bei vielen Konstruktivisten.